Kann ich überhaupt reiten? Erstaunlich viele Reiter stellen sich genau diese Frage, sagt Mental-Coach Vanessa Klett. Hier verrät sie, warum Reiter sich immer selbst hinterfragen – und wie sie mehr Selbstvertrauen beim Reiten bekommen…
Egal, auf welchem Niveau Reiter unterwegs sind. Überraschend oft zweifeln sie an den eigenen Fähigkeiten, sagt Mental-Coach Vanessa Klett. Sie haben Angst vor Fehlern und stellen sich die Frage, ob sie gut genug sind. Dabei liegt das Problem oft nicht in der Technik oder den reiterlichen Fähigkeiten – sondern im eigenen Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein im Sattel.
Du denkst jetzt, dass die Lösung einfach ist? Mit Routine und positiven Erfahrungen steigt das Selbstvertrauen beim Reiten ganz von allein. Doch so leicht ist es nicht, weiß Klett. Denn: „Leider können Reiter mit fehlendem Selbstbewusstsein ihre vielen positiven Erfahrungen gar nicht richtig sehen oder gar als Erfolge anerkennen.“ Denn um um mehr Selbstvertrauen beim Reiten zu erlangen, musst Du erst einmal verstehen, warum es nicht so ausgeprägt ist.
Positive Erfahrungen alleine reichen nicht
Klett vergleicht dafür das Selbstbewusstsein mit einem Tank. Und der hat bei vielen bereits in den Kindertagen erste Risse bekommen. Manche sind kleiner, andere größer. Wie diese Risse entstehen? Zum Beispiel durch negative Erfahrungen oder verletzende Kommentare. Und diese Risse im Selbstbewusstseins-Tank entstehen nicht nur beim Reiten, sondern in allen Lebensbereichen.
Die Folge: Durch diese Risse läuft das Selbstbewusstsein ständig aus – und wird auf Dauer immer kleiner. Kommt durch positive Erlebnisse und Lob neues Selbstbewusstsein in den Tank, dann tropft auch das wieder raus. Und zwar so schnell, wie es reingekommen ist.

Erst wenn diese Risse und Löcher im Tank – also die Ursachen des fehlenden Selbstbewusstseins – bearbeitet werden, kann der Tank durch neue positive Erfahrungen gefüllt werden. Und erst dann steigt das Selbstbewusstsein.
Der eigene Anspruch macht unsicher
Dazu kommt: Viele Reiter sind perfektionistisch – oft, ohne es überhaupt zu merken. Sie wollen keine Fehler machen. „Doch genau dieser Anspruch sorgt dafür, dass sie noch unsicherer werden“, so Klett. Denn Fehler passieren. Immer. Und wer nicht gelernt hat, mit ihnen umzugehen, macht sich jedes Mal selbst dafür fertig.
Ein Fehler wird dann nicht mehr als Chance gesehen, etwas zu lernen, sondern als persönliches Scheitern. Die Folge: Dadurch kommt zum ersten Loch im Selbstbewusstseins-Tank mit jedem Fehler noch ein weiteres dazu. Irgendwann ist der Tank so undicht, dass kein Selbstbewusstsein mehr bleibt – und der Reiter glaubt, er könne gar nichts mehr richtig.
Doch nicht nur die eigenen Zweifel und Ansprüche nagen am Selbstbewusstsein. Auch das Miteinander in der Reitszene kann neue Risse verursachen. Denn: Der Reitsport ist bekannt dafür, dass der Umgangston mitunter ziemlich harsch sein kann. Wer länger dabei ist, kennt solche Sätze: „Das kannst du doch gar nicht!“ oder „Jetzt reiß Dich mal zusammen!“ Solche Aussagen können Spuren hinterlassen.

Bin ich gut genug? Das fragen sich viele Reiter
Hinzu kommt der Leistungsdruck. Reiten ist ein Sport, der nicht nur Zeit, sondern auch sehr viel Geld kostet. Pferd, Training, Ausrüstung, Turniere – das alles summiert sich schnell auf hohe Beträge. Und wer so viel investiert, erwartet auch Ergebnisse. Der Druck kommt dabei nicht nur von außen – oft ist es die eigene Stimme, die am lautesten fragt: Reicht das, was ich tue? Bin ich gut genug?
Dabei lassen sich viele Reiter auch von außen beeinflussen. Sie fragen sich, was Stallkollegen, Trainerinnen und Richter wohl sagen könnten, wenn es „mal wieder nicht klappt“. Die größte Angst vieler Reiter mit fehlendem Selbstbewusstsein ist es, das eigene Pferd durch die immer gleichen Fehler zu „versauen“, während sich die Reiterwelt hinter ihrem Rücken darüber auslässt.
Und die Gedanken daran, was andere denken und sagen könnten, schwingen unterbewusst bei jeder Entscheidung im Sattel mit. Sie führen dazu, dass der Kopf immer mehr dicht macht. Und natürlich passiert dadurch genau das, was der Reiter doch eigentlich vermeiden wollte: ein Fehler. Den alle sehen. Ein Teufelskreis.

Nur ehrliche Reflexion hilft
Was aus dieser Spirale raushilft? Ehrliche Reflexion! Und die beginnt mit Fragen: Woher kommt dieser Zweifel? Wer oder was hat mich so geprägt, dass ich mir selbst nicht mehr vertraue? Welche Sätze hallen bis heute nach, obwohl sie längst vergangen sind? Nur wenn diese Fragen gestellt – und beantwortet – werden, kann sich etwas ändern. Mehr Selbstvertrauen beim Reiten entsteht nicht durch Erfolg, sondern durch das Verständnis dafür, warum man sich trotz Erfolg immer noch nicht richtig selbst vertrauen kann.
Der wichtigste Punkt zum Schluss: Die meisten Reiter, die an sich zweifeln, haben sehr gute reiterliche Fähigkeiten, so Klett. Heißt: Sie können es – sie glauben nur nicht daran.
Die Folge:Sie können ihre Fähigkeiten nicht zuverlässig abrufen, weil der Kopf ihnen immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Es geht also nicht darum, noch mehr zu trainieren und noch mehr Routine zu bekommen. Es geht darum, die Ursachen der eigenen Selbstzweifel zu erkennen und gezielt anzugehen. Nur so kann man das Vertrauen in sich selbst wirklich aufbauen – und wieder mit Freude und Leichtigkeit im Sattel sitzen.








